K -News vom 12.12.2006

Komplette Prozesskette im Technikumsmaßstab für Kundenversuche installiert


Ein Weg zu Kunststoff-Karosserieteilen, mit denen das Colour Matching zu benachbarten Metallteilen möglich ist, führt über das Hinterspritzen von vorgeformten Folien mit Thermoplasten, auch Film Insert Molding(FIM)-Verfahren genannt. Die Folie ist dabei für die Oberflächenqualität des Bauteils (Class A) verantwortlich, das Hinterspritzmaterial vor allem für dessen mechanische und thermische Eigenschaften wie etwa Steifigkeit und Wärmeausdehnung. Das FIM-Verfahren bietet besonders bei großflächigen Bauteilen mehrere Vorteile, wie zum Beispiel bei Dach- und Heckklappenmodulen, Verscheibungselementen, Antennendeckeln und Spoilern. So ist im Vergleich zu entsprechenden Komponenten aus Metall die Designfreiheit größer, und es ergeben sich zum Teil erhebliche Gewichtseinsparungen. Außerdem können durch das Integrieren von Funktionen deutlich Kosten in puncto Montageaufwand, Logistik und Maschineninvest gesenkt werden. „Um unseren Kunden aus der Automobilindustrie ein optimales und produktionsnahes Entwicklungs- und Testumfeld für die Großserienfertigung solcher Bauteile zu bieten, haben wir bei uns in Leverkusen die komplette Verfahrenskette des Folienhinterspritzens im Technikumsmaßstab installiert“, erläutert Olaf Zöllner, Leiter der Gruppe Injection Molding Technologies in der Business Unit Polycarbonates.

Das maßgeschneiderte Equipment reicht von Anlagen zum Bedrucken und Trimmen der Folien über entsprechende Technik zum automatisierten Transportieren, Reinigen und Handling der Bauteile bis hin zu Spritzgießmaschinen inklusive Spritzprägetechnologie. „Zusätzlich können unsere Entwicklungspartner auf unser komplettes Know-how bei der Konstruktion mit allen daran gekoppelten Simulationsverfahren und bei der Prüfung zurückgreifen“, so Zöllner.

Am Anfang des FIM-Verfahrens steht das Verformen der bedruckten Folien. Diese können sowohl kalt nach dem von Bayer MaterialScience patentierten High Pressure-Forming(HPF)-Verfahren als auch durch Thermoformen verformt werden. Für das Trimmen der verformten Folien stehen ebenfalls passende Maschinen bereit. Dabei ist neben der Schwindung der Folie zu beachten, dass die Kanten von FIM-Karosserieteilen bei Bedarf geschützt werden müssen. Dies lässt sich durch ein Umziehen der Folie um die Kante, den so genannten Umbug, erreichen. „Hier können wir mit unserer großen Erfahrung bei der Folienverarbeitung wertvolle Unterstützung beim Konzeptionieren des Bauteils leisten, was zum Beispiel die Wärmedehnung im Werkzeug oder Schubspannungen durch die Schmelze betrifft“, so Zöllner.


Neues Handling-Verfahren platziert Folie präzise im Werkzeug

Für das Hinterspritzen ist ein Reinraum eingerichtet. Zuvor wird die dekorierte, zugeschnittene Folie mit Bürsten gereinigt, um zum Beispiel Fusel und andere Verunreinigungen zu entfernen. Voraussetzung für ein korrektes Hinterspritzen ist, dass die Folie präzise im Werkzeug platziert wird, damit die polierte Hochglanzoberfläche des Werkzeugs auf Dauer keinen Schaden nimmt. Bayer MaterialScience hat dazu mit Partnern ein Handlingverfahren entwickelt, bei dem die Folie vor dem Einlegen elektrostatisch aufgeladen wird. Dadurch haftet sie fest und passgenau im Werkzeug. „In den meisten Fällen erübrigt sich der Einsatz von Positionierstiften und Schiebern, um die Folie mechanisch richtig zu verankern“, so Zöllner.

Beim Hinterspritzen ist darauf zu achten, dass die Folien keine Falten bilden und die Bedruckung durch die heiße Schmelze nicht ausgewaschen wird. Größen, die diese Fehler beeinflussen, sind die Anzahl der Angusspunkte, der Volumenstrom pro Anspritzpunkt und die Konstruktion der Anspritzpunkte „Wir verfügen über das konstruktive Wissen und über geeignete Berechnungstools, um diese Größen optimal aufeinander abzustimmen und die Fehler zu vermeiden“, erläutert Zöllner. Sollte es notwendig sein, den Schmelzedruck bei der Werkzeugfüllung zu verringern, um Werkzeug und Folie weniger zu belasten, steht eine Anlage für das schonendere Spritzprägen bereit.

Beim Entformen, aber auch bei allen anderen Schritten des installierten FIM-Prozesses kommt eine Handling-Technologie zum Einsatz, die die Oberfläche des Folienbauteils schont. So werden die Teile unter anderem von Robotern mit Hilfe von Gummisaugnäpfen aufgenommen, transportiert und abgelegt.


Drei Wege zu Colour Matching-fähigen FIM-Karosserieteilen

Prinzipiell gibt es drei Ansätze, mit denen das Colour Matching eines FIM-Karosserieteils gelingt. So kann das Folienbauteil konventionell Off-line lackiert werden. Weiterhin besteht die Möglichkeit, von einer laminierten Folie auszugehen, die aus einer Trägerfolie und einem Paint-Film mit transparenter und darunter liegender farbgebender Filmschicht besteht. Ein dritter Weg geht über eine Folie, die mit einem farbigem Basislack und einem UV-härtenden Klarlack (Desmolux®) beschichtet ist. Das Aushärten des Klarlacks erfolgt nach dem Verformen und Hinterspritzen. Für alle diese Ansätze hat Bayer MaterialScience maßgeschneiderte Folien Makrofol® und Bayfol® im Sortiment, die – je nachdem ob es sich um ein horizontales oder vertikales Karosseriebauteil handelt – auf Polycarbonat oder ABS basieren sollten.

Anstatt Folien mit Thermoplasten zu hinterspritzen, können sie auch mit faserverstärkten Polyurethan(PUR)-Systemen hinterschäumt werden. Diesen Ansatz verfolgt Bayer MaterialScience ebenfalls und bietet entsprechende PUR-Werkstoffsysteme an. Zur Herstellung der Folien-PUR-Module findet das Long-Fiber Injection(LFI)-Verfahren Anwendung: Die PUR-Reaktionsmischung und die Langglasfasern werden zeitgleich mit Hilfe eines speziellen Mischkopfes, in den eine Glasschneideeinheit integriert ist, direkt in das Werkzeug eingespritzt.



Dank eines neuen Handlingverfahrens lässt sich die Kunststoff-Folie präzise
im Hinterspritzwerkzeug platzieren. Sie wird vor dem Einlegen elektrostatisch
aufgeladen. Dadurch haftet sie fest und passgenau im Werkzeug. - Bild:
Bayer MaterialScience AG



Kontakt:
Bayer MaterialScience AG
www.bayerbms.de

 




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